Tag 159-163
Trekking bis zur Erschöpfung
Am Montagabend hatten wir uns entschlossen, zusammen mit Anne und Sophie ein dreitägiges Trekking zu machen, das am Dienstagmorgen starten sollte. Vor uns lag die anstrengendste Unternehmung unserer bisherigen Reise, aber auch eines der eindrucksvollsten Erlebnisse.
Tag 1 (Dienstag, 11. März):
Wir fanden uns um 8:30 in der Reiseagentur ein und lernten unsere Begleiter Phoud und On kennen, die uns durch das Gelände führen sollten. Phoud kennt die Gegend sehr genau und spricht auch die Akha Sprache, allerdings kaum englisch – On spricht gutes englisch und bildete damit die kommunikative Schnittstelle zu uns. Über eine Eselsbrücke konnten wir uns beide Namen von Anfang an sehr gut merken: „Put On – Put Off“.
Zu Beginn liefen wir eine Weile auf einer sandigen Schotterpiste in Richtung Norden. Es dauerte nicht lange bis wir in Ban Khounsouknoy ankamen, ein kleines Dorf, das berühmt für seinen grünen Lao Whisky ist (Lao Lao). Der Ort war weitgehend verlassen, da die meisten Menschen auf den Teeplantagen oder im Wald arbeiteten.
Wir bogen kurze Zeit später ab auf einen holprigen und verschlungenen Pfad für Wasserbüffel, der uns durch Teeplantagen und dichten Dschungel bis zum Nam Long Fluss führte. Dabei schlug Phoud mit einem Messer immer wieder den wuchernden Urwald zurück, wenn er uns auf unserem Weg behinderte. Nach einem steilen und rutschigen Abstieg gelangten wir zum Fluss, der in der Trockenzeit nur wenig Wasser führt. Hier nahmen wir unser Mittagessen ein, das Phoud die ganze Zeit in seinem schweren Rucksack getragen hatte. Wir aßen Lao-typisch mit den Händen Sticky Rice, kalten Gemüsesalat, gekochte Eier, Algen und Pilze. Auch Sojasauce zum Eintunken war vorhanden und Hühnchen für die Nicht-Vegetarier. Das Essen lockte schnell zahllose Mengen von Fliegen an, so dass wir bald einpackten und weitergingen.
Der nun folgende sehr steile Aufstieg brachte uns, als verweichlichte Westler ohne Trekking-Erfahrung, an die Grenzen unserer physischen Leistungsfähigkeit und forderte mehrere Pausen. Das Wetter war schwül und der Berg unerbittlich und wollte einfach nicht aufhören. Die Akha haben ihre Dörfer hoch in den Bergen und vom Fluss aus war das ein langer Weg. Nach gut 40 Minuten wurde es etwas flacher, aber es ging weiterhin die meiste Zeit bergauf.
Am frühen Abend erreichten wir ein Schlafmohnfeld der Akha zur Gewinnung von Opium. Der Handel mit Opium ist in Laos illegal und die Regierung versucht ihn einzudämmen und zu beschränken. Durch die abgeschiedene Lage vieler kleiner Dörfer ohne Zugang durch motorisierten Verkehr ist dies jedoch kaum zu kontrollieren. Der Handel mit dem Rauschgift ist für viele der dort lebenden Menschen eine Existenzgrundlage.
Der dann folgende letzte Aufstieg zum Akha Dorf „Ban Changtern“ war noch einmal sehr steil und anstrengend aber schließlich erreichten wir völlig kaputt unser vorläufiges Ziel. Wir hatten etwa 20 km schwieriges Terrain in circa acht Stunden hinter uns gebracht, das uns aufgrund der Hitze deutlich stärker gefordert hatte als das Tongariro Crossing in Neuseeland.
Leben unter einfachsten Bedingungen
In Ban Changtern leben Mensch und Tier unter einfachsten Bedingungen in Hütten aus Holz und Bambus. Wir sahen Wasserbüffel, Schweine, Hunde und Hühner herumliegen oder -laufen, Menschen schauten uns neugierig aber scheu an. Die Frauen trugen die traditionelle Akha Tracht mit hübschem Kopfschmuck und mit Münzen bestickten Kleidern. Auf die Männer, insbesondere die jüngeren, hat die westliche Kultur bereits einen deutlichen Einfluss ausgeübt. Sie tragen westliche Kleidung, Schmuck und Frisuren und mögen es, sich so lässig zu geben, wie sie es in westlichen Medien gesehen haben. Dazu zählt auch eine Vorliebe für Dance und Techno-Musik. Den ganzen Abend drangen aus den batteriebetriebenen Wiedergabegeräten dumpfe Bässe und immer wieder „Gangnam Style“.
Viele Akha Dörfer verfügen über eine autarke Stromversorgung durch Wasserkraft und Solarenergie, die den Betrieb von Lampen und gelegentlich elektronischem Gerät ermöglicht.
In der Trockenzeit ist Wasser ein sehr kostbares Gut. Da die Akha in den Bergen leben und daher keinen Zugang zum Fluss haben, sind sie auf die kleinen Wasser-Rinnsale angewiesen, die aus den Bergen dringen. Um uns am Abend zu waschen, mussten wir zu einer solchen Wasserstelle laufen. Dort angekommen trafen wir auf eine Akha Frau, die das Wasser in große Bambusröhren abfüllte, um sie zum Dorf zu transportieren. Zuständig für diese und andere schwere körperliche Arbeiten sind ausschließlich die Frauen. Ein Korb mit gefüllten Bambusröhren wiegt vermutlich 50 kg oder mehr – bei dem Versuch ihr zu helfen war On nicht in der Lage ihn weit genug anzuheben. Die Frauen jedoch tragen diese Last mittels eines Gurtes, der um den Kopf gespannt wird, auf dem Rücken und müssen tagtäglich den unwegsamen und rutschigen Pfad zum Dorf zurücklegen.
Nach einer notdürftigen Wäsche begaben wir uns alle zum Abendessen ins Haus des Dorfoberhauptes. Dieser hat die Funktion eines Bürgermeisters inne und kümmert sich um die Verwaltungsfragen des Dorfes. Es ist üblich, dass Gäste in seinem Haus bewirtet werden und unterkommen, während er und seine Familie für die Nacht in andere Hütten umziehen oder auf einen anderen (unbequemeren) Schlafplatz im Haus ausweichen. Entgegen unserer Vermutung werden Besuche durch Fremde wie uns durch die Reiseagentur nicht angemeldet, so dass eine solche Inanspruchnahme ihrer Gastfreundschaft eine äußerst spontane Angelegenheit ist.
Nach dem Abendessen fielen wir todmüde und mit schmerzenden Gliedern auf unsere harte Schlafstätte. Abend und Nacht war begleitet von lauten Geräuschen, gegen die auch unsere Ohropax machtlos waren: zunächst die nicht enden wollende Techno-Musik, dann Hundegebell, krähende Hühner, grunzende Schweine und lautes Schnarchen. Wir waren froh, dass irgendwann zumindest die im Haus befindliche Feuerstelle nicht wieder entfacht wurde, so dass wir nicht mehr so viel Rauch ausgesetzt waren. An die Kakerlaken, die beim Abendessen über den Boden gelaufen waren, dachten wir schon längst nicht mehr.
Tag 2 (Mittwoch, 12. März):
Die Anstrengungen des Vortages und der wenige Schlaf steckte uns noch in den Knochen, als wir nach dem Frühstück erneut aufbrachen. Kleine und größere Geschäfte wurden zuvor hinter nahe gelegenen Sträuchern und Bäumen erledigt. Unser Teamvorteil dabei war, dass wir uns besser der zudringlichen Schweine erwehren konnten, die ein gesteigertes Interesse daran zu haben scheinen, menschliche Ausscheidungen zu verspeisen. Zu zweit konnte der jeweils andere dafür sorgen, dass sie damit wenigstens warteten bis man fertig ist.
Weiterhin war ein großer Vorteil, dass wir nicht wussten, welche Anstrengungen uns an diesem Tage erwarteten, sonst hätten unsere Beine vielleicht schon zu Beginn den Dienst verweigert. Der menschliche Körper ist allerdings äußerst widerstandsfähig, belastbar und leistungsstark und wir hatten am Vortag wertvolle Tipps von Anne und Sophie erhalten – die beiden haben nämlich bereits mehr Trekking-Erfahrung als wir. Wenn die Erschöpfung kommt, hilft es kontinuierlich, aber sehr langsam zu gehen und so kleine Schritte wie möglich zu machen, dabei ruhig und tief atmen.
Wir kamen anfangs zügig und gut voran. Der schmale Weg führte uns vorwiegend gerade und leicht abwärts, bis wir nach knapp zwei Stunden erneut an einen kleinen Strom kamen, wo wir uns frisch machen und unsere Zähne putzen konnten. Der weitere Weg führte uns durch „Ban Sopngam“, ein kleines laotisches Dorf, weit abgelegen und genau wie die Akha Dörfer nur zu Fuß zu erreichen. Im nahe gelegenen Fluss konnten wir uns waschen und baden. Die Erfrischung tat gut, denn der folgende Aufstieg war steil und sehr anstrengend. Mit kleinen Schritten und mit kontrollierter Atmung schlugen wir uns aber gut und kamen in guter Verfassung auf dem Bergkamm an, wo wir unser Mittagessen verspeisten: Reis, kalte Gemüsesalate, gekochte Eier.
Weiter ging es eine kurze Weile auf gerader Strecke bis wir uns an den Aufstieg machen mussten, der zum nächsten Akha Dorf führte. Inzwischen war es 14:00 und im Gegensatz zum Vortag strahlte die Sonne kraftvoll. Der nun folgende Weg war so steil, dass es kaum möglich war, kleine Schritte zu machen. Die Sonne brannte unerbittlich vom Himmel, rings herum waren abgebrannte Berghänge, so dass es nur selten Schatten spendenden Schutz gab. Der Rucksack wurde immer schwerer, der Schweiß lief in Strömen und trockener Staub klebte an Kleidung und Haut. Unsere Wasserflaschen leerten sich zusehends. Wir machten ein paar Pausen, diese brachten aber kaum Erholung und ließen nur das Wasser knapper werden. So lange man Schritte machen kann, schafft man es aber immer und so machten wir oben angekommen erschöpft eine etwas längere Pause.
Der Weg führte uns noch einige Zeit weiter – immer mit leichten bis mittleren Steigungen, bis wir unser Dorf in der Ferne sehen konnten. Noch etwa zwei Stunden Weg, aber immerhin Blickkontakt. Auf halber Strecke erreichten wir das Akha-Dorf „Ban Peryenxangmai“, wo wir eine kurze Pause einlegten, grünen Tee tranken und unsere Wasserflaschen auffüllten. Unseren Weg setzten wir anschließend fort und liefen eine weitere Stunde bis nach „Ban Peryenxangmai“.
Über acht Stunden Trekking und etwa 25 km lagen hinter uns – alles tat weh und wir waren am Ende, aber wir hatten es geschafft.
Im Dorf wurden wir ausgesprochen freundlich und interessiert begrüßt. Die Dorfbewohner waren dieses Mal weniger distanziert und sehr neugierig. Als wir in der Hütte des Dorfoberhauptes unser Gepäck abstellten und damit begannen einige Sachen auszupacken, holten sie sich Schemel und stellten sie in mehreren Reihen auf, um uns genau dabei beobachten zu können. Auch an unseren Fotos waren sie sehr interessiert.
Nach dem Abendessen ging es früh ins Bett. Die Nacht war diesmal ruhiger, der Untergrund aber immer noch hart und es gab wenig Platz. Dennoch gefiel es uns in diesem Dorf viel besser als im Ersten – vor allem die Aufgeschlossenheit und die Neugier der Menschen beeindruckte uns.
Tag 3 (Donnerstag, 13. März):
Wir mobilisierten unsere letzten Kräfte, um das etwas kürzere Trekking von gut drei Stunden zum Nam Ou Fluss zu schaffen. Die meiste Zeit ging es bergab, aber auch das war fordernd, besonders für die Knie. Am Nam Ou angekommen, nahmen wir ein ausgedehntes Bad im kühlen Wasser und fuhren schließlich mit dem Boot stromabwärts zu einem weiteren Staudamm der Chinesen. Von dort aus trug uns der Bus erst nach Hatsa, wo wir uns über ein Mittagessen freuten, das mal nicht aus Reis und Gemüse bestand. Mit dem gleichen Bus ging es dann weiter bis wir wieder an unserem Ausgangspunkt in Phongsali standen.
Ein sehr schönes aber für uns auch sehr anstrengendes Trekking lag hinter uns. Wir hatten uns an mehreren Stellen am Ende unserer Kräfte gefühlt, was vor allem daran lag, dass dies unsere erste mehrtägige Trekkingerfahrung war. Mit mehr Übung gehen solche Touren nicht mehr so stark an die Substanz. Spätestens in Nepal werden wir weitere mehrtägige Trekkings unternehmen.
Erholung und Abschied
Den Freitag nutzten wir zur Entspannung und zur Planung der kommenden Tage. Am Samstag nahmen wir früh morgens den Bus, der uns zurück nach Muang Khua brachte. Die 200 km legte er in etwa 8 Stunden zurück. Dabei wurden zahlreiche Zwischenstopps eingelegt, bei denen immer mehr Menschen und Gepäck in den Bus gestopft wurden. Die volle Belegung der Sitze war kein Grund, keine weiteren Fahrgäste mehr aufzunehmen. Es gibt immer Mittel und Wege, Reissäcke, Gepäckstücke und Menschen irgendwohin zu bugsieren.
Von Muang Khua fährt jeden morgen um 10:00 ein Bus über die Grenze nach Dien Bien in Vietnam. Diesen planten wir am Sonntag, den 16. März zu nehmen.
Wahnsinnsbericht!!! Und so eindrucksvolle Bilder!
Erholt euch gut zwischendurch von den abenteuerlichen Unternehmungen
und bleibt gesund!
Boah, ihr Lieben, ihr seht ja fertig aus auf den Bildern!! Krass.
Eure Fotos sind unglaublich eindrucksvoll, man kann förmlich spüren, wie die Sonne auf die Haut brennt, Staub und Sand über die Füße rieseln. Wirklich beeindruckend.
Dieses Erlebnis werdet ihr sicher nicht vergessen…
Ich wünsche euch von Herzen viel Freude auf der weiteren Reise und dass Gesundheit und Liebe eure steten Begleiter bleiben!
Gebt auf euch Acht!
Eure Maria