Drei Wochen sind wir durch Japan gereist. Im Folgenden ein paar bemerkenswerte Fakten und Eigenheiten, die uns während unserer Reise durch das Land aufgefallen sind:
- Arbeitsmoral und verordneter Urlaub
Japaner nehmen ihre Arbeit sehr ernst. Die Firma ist wie eine Familie, für die man stets da sein muss. Ito erzählte uns, dass die meisten Japaner freiwillig keinen Urlaub nehmen, aus Sorge, die Kollegen mit Mehrarbeit zu belasten oder von ihnen verdrängt zu werden. Die Regierung versucht, gesetzliche Feiertage in direkter Abfolge zu Wochenenden zu legen, um die Japaner dazu zu bringen, auch einmal Urlaub zu machen. - Krankheit und Allergie
Krank zu sein versuchen die Japaner mindestens genauso intensiv zu vermeiden wie Urlaub. In der Öffentlichkeit zu husten oder sich die Nase zu putzen (geräuschvoll hochgezogen wird hingegen häufig) ist äußerst unpopulär. Wer erkältet ist, eine Allergie hat, oder sich einfach nur nicht anstecken möchte, trägt einen Mundschutz, um andere bzw. sich selbst nicht zu infizieren. - Schuhe
In Japan gibt es feste Regeln, wo man welche Schuhe zu tragen bzw. nicht zu tragen hat. Im Wohnbereich sind Straßenschuhe grundsätzlich auszuziehen und normale Hausschuhe zu tragen oder auf Socken zu laufen. Für die Toilette gibt es Toilettenschuhe (ein einziges Paar, das vom gesamten Haushalt bzw. vom gesamten Hostel getragen werden). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Toilettenraum groß genug ist, dass man überhaupt einen Schritt tun kann, die Schuhe müssen getragen werden und dürfen keinesfalls im Wohnbereich spazieren getragen werden. - Schuluniformen
In Tokio sind uns die bemerkenswert knappen Schuluniformen der japanischen Schülerinnen aufgefallen. Mädchen, die beinahe noch Kinder sind, tragen offizielle Röcke, die nur knapp die Unterwäsche bedecken. Für uns bleibt offen, ob diese fragwürdige erotische Komponente beabsichtigt ist. - Sauberkeit & fehlende Mülleimer
Japan bleibt als sehr sauberes Land in unserer Erinnerung. Auf den Straßen liegt kein Müll herum, kein Kaugummipapier oder Zigarettenstummel. Die Oberflächen wirken stets glatt und sauber, wie frisch geputzt. Trotzdem hat man in Japan oft große Mühe, seinen Müll zu entsorgen, denn Mülleimer sind kaum aufgestellt. Selten findet man private Tonnen, die zu Supermärkten oder Kiosken gehören oder neben den zahlreichen Getränkeautomaten stehen. Diese sind aber oft so gestaltet, dass man nur Flaschen in ganz bestimmter Größe entsorgen kann. Wir liefen manchmal stundenlang mit unserem immer größer werdenden Müllbeutel in der Gegend herum. - Linksverkehr
In Japan herrscht Linksverkehr. Das gilt (in den meisten Städten) auch für Fußgänger. Während wir uns in den ersten Tagen noch mutig auf der falschen Seite durch zahlreiche Japaner pflügten, hatten wir nach einiger Zeit dazu gelernt und liefen auf der richtigen Seite auf Bürgersteig und Rolltreppen. Bis wir in Osaka ankamen, wo auf einmal doch wieder alle rechts liefen (die Autos fahren aber im ganzen Land auf der linken Seite). - Luxustoiletten
Auf die traditionellen japanischen Klos muss man sich hocken – sie sind nicht viel mehr als moderne Plumsklos, nur ohne Loch und mit Wasserspülung. Im Gegensatz dazu stehen die Luxustoiletten, die mit zahlreichen Extras und Hygienemaßnahmen ausgestattet sind. Es existiert eine Vorrichtung zur rektalen (und für Frauen auch frontalen) Reinigung mittels eines Wasserstrahls, dessen Wasserdruck sich frei regulieren lässt. Gewöhnungsbedürftig, aber aus hygienischer Sicht deutlich fortschrittlicher, als sich mit trockenem Toilettenpapier zu reinigen. Beheizte Toilettensitze, ein Knopf zum Abspielen eines Spülgeräusches (um unliebsame eigene Geräusche zu übertönen), optische Sensoren, um die (tatsächliche) Spülung auszulösen und ein Luftbestäuber für den angenehmen Duft danach, gehören ebenfalls zum Repertoire. - Jingles in Bahnhöfen
In den Bahnhöfen fühlt man sich wie im Spielcasino. Neben den beinahe ununterbrochenen Ansagen, die aus den Lautsprechern ertönen, klingelt und rasselt es jedes Mal, wenn ein Zug einfährt, abfährt (oder in Kürze eintreffen oder abfahren soll). Die Geräusche könnten dabei aus einem Videospiel oder eben einem Spielautomaten entnommen sein. - Rohes Essen und viel Fleisch
Vegetarier haben es in Japan schwer. Die wenigsten Restaurants führen Speisen ohne Fleisch oder Fisch und zusätzlich essen die Japaner auch gern viel roh und/oder kalt: Fisch, Fleisch, Eier, Algen. Wir sind während unseres Weltreisejahres weniger strikt mit unserem Vegetarismus, weil wir auch offen für landestypische Spezialitäten sein wollen, die Fleisch beinhalten und zudem manchmal auch keine andere Wahl haben werden, als Fleisch zu essen, aber Japan war in der Hinsicht auf jeden Fall extrem. - Spielsucht, Pachinko, Handyspiele
Glücksspielsucht ist ein großes gesellschaftliches Problem in Japan. Viele Japaner sind glücksspielssüchtig und vor allem in Tokio und Osaka reihen sich die Spielhallen regelrecht aneinander (und sind gut besucht). Viele davon werden von den Yakuza betrieben, der japanischen Mafia.
Den Renner macht dabei Pachinko. Bei diesem Spiel werden kleine Metallkugeln in eine Maschine geworfen und darauf gehofft, dass sie in einen vorteilhaften Schacht fallen, der einen Gewinn an Metallkugeln verspricht. Das Spielprinzip ist Einwurf und warten – mehr nicht. Trotzdem sind viele Japaner Pachinko-süchtig.
Auch Handyspiele sind vor allem bei den japanischen Jugendlichen sehr beliebt. In den öffentlichen Verkehrsmitteln haben wir ständig Mädchen wie Jungs spielen sehen. Zum telefonieren hingegen wurde das Mobiltelefon nur selten verwendet. - Sehr teures Obst und Gemüse und die Perversion der Perfektion
Obst und Gemüse ist in Japan fast unbezahlbar. Ein einziger Apfel kostet umgerechnet mehr als einen Euro, anderes Obst ist noch teurer. Dafür sind die Produkte aber auf bizarre Art und Weise „perfekt“. Die Äpfel sind einheitlich groß, sehen wie poliert aus, haben glatte Oberflächen und keine Stellen oder Verformungen. Die Karotten sind wohlgeformt, sehr gerade und ohne Makel.
Einzig Bananen und gelegentlich auch Clementinen sind bezahlbar. - Künstlich nachgebildete Speisen
Beinahe jedes Restaurant in Japan hat einen Schaukasten, in dem es seine Speisekarte in Form von künstlich nachgebildeten Speisen zur Schau stellt. Diese aus Plastik oder Wachs nachgemachten Gebilde heißen „Shokuhin-Sanpuru“ und sind typisch für Japan. Es existiert eine eigene Industrie, die diese Fake-Speisen produziert. Die Produktion ist aufwendig und so übersteigen die Kosten für ein Fake-Gericht normalerweise die Kosten für das tatsächliche Essen. - Öffentliche Verkehrsmittel
Die japanischen Städte sind sehr gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen. Die Benutzung unterscheidet sich aber etwas von der in Deutschland. Bei Zügen und U-Bahnen werden die TIckets im Voraus gekauft (meist am Automaten). Der Preis richtet sich dabei nach der zurückzulegenden Entfernung und ist recht fein gestaffelt. Übersichtliche Pläne helfen dabei, die richtige Fahrkarte zu kaufen.
Bei Bussen und Straßenbahnen wird erst beim Aussteigen bezahlt. Der Fahrpreis muss dabei passend entrichtet werden und ist bei Straßenbahnen pauschal, bei Bussen gestaffelt, wie bei den U- und S-Bahnen. In Bussen und Straßenbahnen sind Automaten aufgestellt, bei denen man sein Großgeld klein machen kann.
Auswanderungs-Check
Sehr freundliche Menschen
Saubere Städte
Allgemein diszipliniertes Verhalten, geregelte Abläufe (kein Gedränge oder Geschubse)
Schöne Landschaften, viel Kultur
Fast immer pünktliche Bahnen und Busse
Kaum vegetarisches und viel rohes Essen
Teures Obst und Gemüse
Kaum internationale Küche (und wenn dann sehr teuer)
Oft unattraktive Arbeitsbedingungen
Teurer und knapper Wohnraum
Viele Taifune im Herbst
Fukushima
Insgesamt ist Japan also nichts für uns. Aber es bleiben ja noch genug weitere Länder .
Ein sehr guter Abschlussbericht!
Was für ein prima Abschlussbericht-ich habe viel gelernt und öfter geschmunzelt. Gaaaaanz viele tolle Erlebnisse im nächsten Land!
Wirklich interessant…man bekommt ja normalerweise solche Einblicke nicht!
Schön zu lesen
Seid ihr denn auch mal von diesem „In-den-Zug-Schiebe-Personal“ beim Einstieg in die U-Bahn geholfen worden?
Vielen Dank für euer fleißiges Kommentieren!
Glücklicherweise waren unsere Züge nie so voll, dass man uns von außen zusammenquetschen musste.
Aber bzgl. des Personals und vor allem dessen Ineffizienz wäre ein eigener Punkt wohl noch sinnvoll gewesen.
Wie viele Japaner braucht man, um die Linse einer Überwachungskamera zu reinigen? Drei – einer steht auf der Leiter und putzt, zwei weitere dirigieren die Fußgänger um die Leiter herum.
Sowas in der Art haben wir in Japan ständig gesehen. Leute, die Autos in (geräumige und ausgeschilderte) Parkplätze einweisen, oder Autos um Baustellen herum winken, die bereits deutlich mit Schildern und Absperrung abgesichert sind. Sind meistens Jobs von der Regierung um die Arbeitslosenquote gering zu halten.