Tag 236-239
Einleben in Teheran
Nachdem ich mich freundlicherweise kostenlos am Frühstücksbuffet meines Hotels bedienen durfte, bezog ich am Montag mein Zimmer und holte nach dem langen Flug erst einmal etwas Schlaf nach. Später am Tage wagte ich mich in die Hitze hinaus, um mir eine lokale SIM-Karte zu kaufen und etwas Geld umzutauschen. Da die Westmächte Finanzsanktionen gegen den Iran verhängt haben, ist es auch Privatkunden nicht möglich, die gut ausgebaute finanzielle Infrastruktur zu nutzen.
Am Abend kontaktierte ich noch meine Couchsurfing Gastgeberin Dorna und bekam ihre Telefonnummer, so dass ich sie am nächsten Tag, den 5. August anrufen konnte.
Deutschunterricht in Teheran
Erfreulicherweise durfte ich am Dienstag bis 14:00 auf dem Zimmer bleiben und hatte daher genügend Zeit zu frühstücken und auszuchecken. Als ich Dorna anrufen wollte, musste ich feststellen, dass die Nummer ungültig war – offenbar hatte sie sich vertippt. Ich schrieb ihr eine Nachricht und checkte mit Sack und Pack aus, um ein wenig Teheran zu erkunden. Eigentlich wollte ich mein Gepäck in einem Schließfach abstellen, aber solche sind im Iran offenbar unüblich. Ich überlegte kurz und fuhr mit der Metro südwärts, wo es günstigere Hotels gab. Vielleicht konnte ich in einem von diesen gegen einen kleinen Betrag mein Zeug vorübergehend abstellen.
Ich war gerade ausgestiegen, als sich Dorna bei mir mit ihrer richtigen Nummer meldete. Ich rief an und erfuhr, dass sie in einer Stunde zum Deutschunterricht wollte, ich aber gern mitkommen und mein Gepäck bei ihr im Auto lassen könne. Also wieder zurück in die Metro und zurück in den Norden. In einer etwas hektischen Aktion fuhren wir zum österreichischen Kulturforum Teheran, wo Dorna Deutschunterricht nahm. Ich lernte gleich eine Menge Freunde und Mitschüler von ihr kennen und hatte die ungewohnte Gelegenheit viel deutsch zu sprechen. Im Schulgelände wurden auch sogleich die Kopftücher abgestreift und man konnte sich zwanglos unterhalten. Die Sittenpolizei ist seit Rohani weniger aktiv, aber das Kopftuch ist nach wie vor für Frauen verpflichtend. Nach der ersten Unterrichtshälfte holten wir uns eine Kleinigkeit zu essen und im zweiten Teil wurde ich eingeladen, am Unterricht teilzunehmen. Damit war ich natürlich der Mittelpunkt der Stunde und der Lehrer räumte seinen Schülern genug Zeit ein, ausgiebig mit mir zu sprechen und mir Fragen zu stellen. Nach dem Unterricht wurden viele Kontaktdaten ausgetauscht – viele der Schüler boten mir an, bei ihnen zu übernachten oder zusammen zu essen. Eine beeindruckende Offenheit und Gastfreundschaft!
Couchsurfing
Dorna fuhr mit mir eine Weile in der Stadt herum. Wir trafen Freunde von ihr, saßen in Cafes und ich konnte ein wenig an ihrem Alltag teilnehmen. Am späten Abend fuhren wir zu ihrer Wohnung, wo sie zur Zeit mit Mutter, Großmutter und Schwester wohnte (ihre Wohnorte wechseln häufig mal). Da ihre Schwester und Mutter nicht in der Stadt waren, war die Wohnung weitgehend leer – ihre Großmutter hatte aber bereits Essen für uns vorbereitet, das wir nur noch warm machen mussten. Auch meine Schlafstätte im Wohnzimmer hatte sie für mich vorbereitet. Da sie kein englisch Sprach, konnte ich mich nur mit Gesten bei ihr bedanken.
Am nächsten Morgen gingen die Nettigkeiten weiter. Mein Frühstück war bereits vorbereitet noch bevor ich aufgewacht war. Da Dorna noch schlief, versuchte ich wieder etwas über Gesten mit ihrer Oma zu kommunizieren, aber es klappte nur leidlich. Wenigstens durfte ich den Abwasch erledigen und die Spüle ausräumen, wenn auch unter Protest.
Basar und Abendgestaltung
Gegen Mittag brachte mich Dorna zur Metro und ich fuhr (wieder mal) südwärts, um Jan zu treffen, einen ehemaligen Kollegen und Freund. Er hatte sich entschlossen, die Zelte in Berlin vorübergehend abzubrechen und ein wenig mit mir weiterzureisen. Wir trafen uns in seinem Hotel und schlenderten schon etwas später über den belebten Teheran-Basar. Unterwegs kontaktierte mich Khashayar, einer der Schüler vom Vortag und fragte nach unseren Plänen für den verbleibenden Tag. Wir verabredeten uns zum Abendessen und wir fuhren zu seinem Büro, wo er sein Auto stehen hatte. Vom Dach aus hatten wir einen guten Blick aufs nächtliche Teheran. Mit dem Auto fuhren wir zu seinem Haus, wo seine Frau und sein Sohn zustiegen und zusammen ging es zu einem typisch iranischen Restaurant, wo Khashayar zahllose Köstlichkeiten bestellte. Natürlich wollte er nichts davon wissen, dass wir uns finanziell beteiligten und bezahlte deshalb einfach heimlich, indem er in einem günstigen Moment kurz verschwand.
Im Iran findet das Leben zum großen Teil in der Nacht statt. Khashayar zeigte uns deswegen noch einige Sehenswürdigkeiten und wir unternahmen einen Spaziergang in einem erhöht gelegenen Park im Norden von Teheran. Schließlich brachte er uns noch bis vor unser Hotel und ließ uns begeistert von der großzügigen persischen Gastfreundschaft zurück.
Golestan Palast und Weiterfahrt nach Kashan
Am Donnerstag, den 7. August besichtigten wir am Vormittag den Golestanpalast. Dieser Palastkomplex war der frühere Regierungssitz der Kadscharen bevor die Islamische Republik gegründet wurde. Im Hauptpalast ist ein Museum untergebracht, wo Keramik, Schmuck und Waffen ausgestellt sind.
Am Mittag fuhren wir zum südlichen Busterminal und besorgten uns Tickets nach Kashan. Die fahrt im klimatisierten Bus verlief dank der gut ausgebauten Straßen zügig und reibungslos. In Kashan erwartete uns die Ruhe und der Charme einer Wüstenstadt. Den Weg zu unserem Hotel legten wir zu Fuß zurück. Wir mussten uns etwas durchfragen, aber schließlich erreichten wir unsere traditionelle, familiär geführte Unterkunft, dessen Räumlichkeiten rund um einen rechteckigen Hof angeordnet waren, wo sich das Leben abspielt wenn es nicht zu heiß ist. Das Abendessen (iranische Joghurtsuppe mit knusprigem iranischen Brot, das wie Chips hineingebröckelt wird) gab es ebenfalls dort – ein soziales Ereignis, wo alle Gäste zum Essen zusammentrafen.
Wie interessant und beeindruckend! Die Herzlichkeit der Menschen berührt mich sehr, auch die Art des Zusammenlebens und der Charme der persischen Kunst und Raumgestaltung.
Ein faszinierendes Land! Wenn es doch politisch mehr Annäherung gäbe … Hattest du die Möglichkeit, Gespräche in dieser Richtung zu führen?
ich freue mich schon auf den Bericht aus Kashan!
Ich kann Karla nur zustimmen, wirklich beeindruckend.
Vor allem die Gastfreundichkeit, überwältigend!
Lieber Arian, herzlichen Dank für Deinen wiederum sehr spannenden Bericht Die schönen Fotos haben uns erfreut, wobei die Bauwerke uns besonders beeindruckt haben. Die islamische Kunst ist wunderbar; etwas herrlicheres als manche traumhaft schöne Moschee ist für uns kaum vorstellbar. Im übrigen haben wir festgestellt, dass wichtige Elemente der Gotik aus dem Islam stammen; so entdeckten wir mit Erstaunen „gotische“ Spitzbogenfenster in Moscheen und Medresen. Und in der Schule hatte man uns gepredigt, dass die wundersame Blüte der Gotik europäischem Geist entsprungen sei. In Wirklichkeit sind wohl viele der „gotischen Ideen“ von den Mauren in den Norden transportiert worden. Das schönste an islamischer Baukunst, das wir bisher gesehen haben, ist übrigens der atemberaubende Registan-Platz in Samarkand / Usbekistan.
Abschließend möchte ich zum Thema „Iran“ an ein Zitat des Journalisten und Bestsellerautoren Peter Scholl-Latour erinnern, der am 16. August im Alter von 90 Jahren gestorben ist. Er stellte fest:
„In Saudi-Arabien dürfen keine Kirchen und Synagogen gebaut und keine Gottesdienste gehalten werden, und der Besitz einer Bibel steht unter Strafe. Der Iran lässt das alles zu – aber er gehört zu den Ländern, die wir anprangern“.
Beste Grüße und weiterhin viel Glück!
Erika und Hans
Idea Spektrum Nr. 34/35, 28.8.14, p.15
Zu den „gotischen“ Fenstern habe ich einen Eintrag bei Wiipedia gefunden, der den islamischen Einfluss bestätigt:
http://en.wikipedia.org/wiki/Islamic_influences_on_Western_art
unter 1.4.2 : „Saracen style“